Granny
In unserer Familie wurden Omas seit jeher durch das Anhängen ihres Nachnamens an den Titel unterschieden.
Da gab es also Oma X.
Und Oma Y.
Oma X war uns Kindern verhasst, da sie ständig sowohl Nase als auch Finger in Dinge steckte, die sie nichts angingen. Erstaunlicherweise hat sich das im Alter gelegt und sie wurde fast handzahm. Aber nur fast.
Oma Y hingegen war warm, weich, verständnisvoll, kuschelig - eine richtige Oma, mit allem, was dazu gehörte. Das war heisse Milch mit Keksen, nachmittags um 4. Und wenn man brav war ein klitzekleines bisschen Kaffee. Das war Waffelnbacken am Rosenmontag, und wir durften nur die Ränder essen, solange nicht alle Gäste da waren. Es gab viele Ränder. Schliesslich waren wir Kinder die Waffelbackverantwortlichen.
Meine Oma, das waren lange Haare, aufgedreht zum Dutt. Und Röcke. Und Geschichten. Von früher. Und Spielen im Hof. Meine Oma kochte die leckersten Salzkartoffeln. Und die besten Erbsen. (ehrlich gesagt, heute stelle ich mir klitzekleine Fragen über ihre Kochkünste...).
Mein Oma war auch kalter Hund. Den musste man nicht kochen. Und Kirchengänge. Mit immer laufender Kindernase. Und immer hatte sie ein Taschentuch für mich. Und immer wollte ich es nicht benutzen.
Meine Oma, das war die Besucherritze. Auf keinen Fall durfte man seinen Fuss unter der Decke rausstecken. Darauf stand Verbannung ins Wohnzimmer.
Meine Oma, das waren Tischgebete mit albernem Gegacker. Und Mittagsschläfchen ohne Schlaf. Weihnachten mit Grossfamilie. Ungezählte Verwandte, bei denen ich bis heute nicht durchsteige, ob und wenn ja in welcher Form wir tatsächlich verwandt sind. Meine Oma, das war ein kaputter Daumen, in der Mitte waagerecht eingekerbt, Kartoffeln schneiden war nicht ihr DIng.
Meine Oma waren Salmiakpastillen, in Sternform auf den Handrücken geklebt und abgeleckt.
Meine Oma, das war Geborgenheit.
Tschüss Ömchen, mach's gut!
larousse - 5. Dezember, 12:26