Ausverkauf
Auf dem Herd stehen noch die Töpfe, als käme sie gleich zurück, um das Mittagessen vorzubereiten. An den Wänden hängen Bilder, von Kinderhänden für die Oma gemalt. Die Gästetoilette quillt über von Körben mit privaten Dingen, Damenbinden, Strumpfhosen, Wäsche, Cremes.
Den grünen Daumen muss sie gehabt haben. Im Wintergarten Trilliarden von Töpfen aller Grössenordnungen, in denen Pflanzen vergeblich auf Wasser warten. Seit November. Ein Bügelbrett steht inmitten der vertrockneten Blumen. Das Kleid darauf, nicht fertiggebügelt.
Im Garten hat die Natur begonnen, sich ihr Recht zurückzuerobern. Wilde Erdbeeren, wohin man sieht und tritt. Und Rosen. Rosenbüsche in allen Farben und Grössen. Wunderschön.
In den Räumen kleine Kreuze, silberne, hölzerne, neben und über den Türen, wie es sich in einem streng katholischen Haus gehört, Gott schütze diesen Raum, vor allem jetzt, wo dutzende von Augenpaaren abschätzend über den verbliebenen Besitz streifen, wo die Meute über ihr verbliebenes Hab und Gut herfällt, die Hände und Nasen in alles steckt und abfällige Bemerkungen macht. Niemand hat sich vorher die Mühe gemacht, Intimes fortzuschaffen, vor den Blicken zu schützen.
Die Tüten und Kisten sind randvoll mit Tannenzapfen. Wozu sammelt man Tannenzapfen? Es müssen hunderte sein, wenn nicht tausende. Es riecht nach Keller. In den Regalen unzählbare gestapelte Blumentöpfe. Sie müssen schon lange da so stehen. Ein Durchkommen ist nicht möglich. Die Tannenzapfen versperren den Weg.
Eine schmerzliche Hausbesichtigung. Der Ausverkauf eines Lebens. Man möchte die Verwandschaft anschreien: War sie so wenig wehrt, dass das Innerste nach aussen gekehrt werden musste?
larousse - 15. Juni, 08:48