Wenn man seit
20 Jahren längerer Zeit im Ausland weilt, ohne dort emotional jemals wirklich Fuss gefasst zu haben, kann es vorkommen, dass man sich freitagsabends plötzlich entsetzlich einsam fühlt, allein aus der Tatsache heraus, dass um einen herum ausschliesslich in der Region Beheimatete sitzen und sich amüsieren. Und einen in keinster Weise verstehen.
Es nicht einmal versuchen.
Egal, was man sagt.
Was mit der Sprache in diesem Sinne nichts zu tun hat.
Und allein schon die Tatsache, dass meine Nebenfrau nicht verstand, warum ich kein Kaninchen esse - "Doch, glaub mir, Du musst es nur in Bier köcheln lassen, das ist fantastisch!" - hat mich gestern also zu Tränen gerührt.
Gut, es hatte sicher auch damit zu tun, dass ich überarbeitet war.
Und dass ich die ersten 2 Gläser wie eine Verdurstende in mich hineingeschüttet habe.
Dass ich mit der besten aller Schwägerinnen tagsüber über Weihnachten kommuniziert hatte. Und dabei wieder einmal schmerzhaft das Loch gespürt, welches eine viel zu weit entfernte Familie im larouss'schen Herzen hinterlässt.
Und all das zusammen liess mich auf die Toilette flüchten, wo ich mich schluchzend wie ein kleines Mädchen wiederfand, über mich selbst erstaunt. Hatte ich tatsächlich nicht gemerkt, wie die letzten Wochen in belgischer Umzingelung an mir gezehrt hatten? Wohl nicht. Tägliche Verteidigung der eigenen gegen die Fremdkultur ohne auch nur auf das geringste Quäntchen Verständnis zu stossen geht an die Substanz. Sogar bei einer Larousse.
Dumm ist, wenn man im Moment der aufsteigenden Tränenflut seine Tasche am Tisch vergisst. In der sich sämtliche erste Hilfe-Utensilien für Tränenausbrüche auf Restaurant-Toiletten befinden. Im Spiegel starrte mich das Kaninchen an.
Ohne Biersosse. Und nicht geköchelt.
Die Dame hat es bei meiner Rückkehr nicht bemerkt.
Oder aus Nichtverständnis geschwiegen.
Nur der Gatte war pikiert.
Statt Verständnis zu zeigen.
Fremdkultur.
Hat mal jemand ein Paar rote Schuhe für mich...?