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Tod an der Theke oder: Hier ist es grad nicht lustig

Der gestrige Abend hat die Tiefen meiner armen gebeutelten Seele ziemlich aufgewühlt. Zutage kam viel allgemeiner Müll. Und ein vergessene Einnerung.

Larousse war zarte 17, als man im elterlichen Betrieb am Samstagmorgen nach ihr rief. An der Fleischtheke war ein Kunde zu Boden gegangen gesunken. Ich möchte an dieser Stelle festhalten, dass das Zusammenbrechen des Kunden in keinem kausalen Zusammenhang mit der Qualität des Fleisches in der Theke stand. Jedenfalls kann das bis heute niemand nachweisen.

Der betreffende Man lag also auf dem Boden und schnarchte. So schien es mir jedenfalls. Ich kniete mich hin und nahm den Kopf des Armen auf meinen Schoss. Es war schliesslich unwürdig, ihn so auf den harten Fliesen liegen zu lassen. Der eintreffende Norarzt schnitt dem armen Alten für Herzmassage und Intubation Jacke, Hemd und Unterwäsche vom Leib, halbnackt war der Mann der physischen Gewalt der Ärzte ausgesetzt. Eine entsetzlich erniedrigende Situation. Fand ich. Wobei ich mit dieser Ansicht ziemlich alleine dastand: vor dem Schaufenster waren Menschenmassen aufgelaufen, wie man sie erst zur WM 2006 in dieser Form wiedergesehen hat. Endlich passierte mal etwas, und dann auch noch am Samstagmorgen, wie praktisch, da hat man ja Zeit und kann sich genüsslich einen guten Platz sichern! Ich muss zugeben, Schaufenster war Logenplatz, besser hatte man dem Tod wohl selten ins Gesicht geschaudert.

Larousse hatte mit dem Sensemann bis zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Kontak. Also, sieht man einmal von den in der Produktionsstätte hängenden Schweinehälften ab, die auf Ihre Weiterverarbeitung für den Wursthimmel warteten - aber die waren ja schliesslich schon ausgeblutet und abgehangen und insofern mit der aktuellen Situation nicht wirklich vergleichbar. Und in meiner Welt schnarchten Tote einfach nicht. Was mein Entsetzen noch steigerte, als der Notarzt nach gefühlten Ewigkeiten seine Gerätschaften einpackte und sagte, da sei nichts mehr zu machen.

Der Mann lag noch lange im Hausflur, da Notärzte keine Toten transportieren dürfen.

Aber das wollt Ihr eigentlich alles gar nicht wissen.
Oder?
truetigger - 29. April, 20:28

Ich find es gut, was Du über die dunklen Ängste Deiner selbst schreiben kannst - ich persönlich bin noch lange nicht soweit, mein Blog ist nur ein Auszug aus meinem Gefühlsleben.

*Dich virtuell umarm*

Und ja, mich hat schon allein das Lesen von dem, was Du gestern geschrieben hast, aus dem inneren Gleichgewicht geworfen - die Vorstellung wie es mir an Deiner Stelle gegangen wär. Kein Wunder, dass Du da net so einfach zur Tagesordnung übergehen kannst.

larousse - 29. April, 21:52

Danke

aber merkste was? Todes-Content zieht einfach nicht! Ich dachte, probier mal was Neues, bisschen was Fieses, wo die Leute - aber nee, es zieht einfach nicht...

Kleiner Scherz.

Es schlägt noch Wellen in mir drin, wird's auch noch ein paar Tage, aber das ist ganz gut so. Ausserdem ist es einfacher, wenn man weiss, daß andere sich mitgruseln.
Brrr. Ich dank Dir für's Mitgruseln.
testsiegerin - 29. April, 21:59

so ganz bewusst hab ich die erste tote erlebt, als ich mit sechzehn oder so im krankenhaus war. da sind in den drei wochen zwei leute aus meinem zimmer gestorben.
den tod an sich fand ich wesentlich weniger schlimm als die trauer. als die verzweifelten angehörigen.
ach ja, und die eine tote begegnete mir in der früh noch mal. im badezimmer, beim zähneputzen. die wurde im bad zwischengelagert. das war schon ein sehr komisches gefühl, wenn eine tote dir beim zähneputzen zuschaut. mit einem gummiringer um die große zehe.

larousse - 29. April, 22:06

Im Badezimmer

ist ja auch nett, so ohne Vorwarnung! Ja, das Schlimmste ist das Leid des trauernden Restes. Diese Hilflosigkeit der Endlichkeit und der Worte "für immer" gegenüber.
Ganz komisch ist bei mir dieser Todesgeschmack. Ich hatte ihn bei besagtem Mann, später dann bei bei meinem Opa und auch bei meiner Tante. Ich habe keine Ahnung, woher er kommt, aber er ist grauenhaft.
Gestern war er abwesend. Vielleicht hat der Roségeschmack ihn übertönt. Ich bin dankbar dafür.
Störgröße - 29. April, 22:00

tja. so nah kann der Tod sein. Gut, dass wir alle nicht wissen wann der Sensemann mal bei uns mal vorbeischaut. Ich hoffe das bleibt auch trotz aller wissenschaftlicher Bemühungen noch ein bisschen so ...

larousse - 29. April, 22:07

Ich kann mir

bei aller Phantasie nicht vorstellen, dass sich das einmal ändern könnte.
Und das ist gut so.
Der Sensemann bringt halt jedem seine Lachsschaumspeise, wenn's IHM passt...
Störgröße - 29. April, 22:13

und das ist auch gut so. Jedenfalls sind solche Erlebnisse in jungen Jahren genau die, auf die man eigentlich verzichten könnte. Ich habe in meiner Jugend mal mit meinem Stiefvater versucht eine auf dem Boden festgebrannte Frau aus ihrem Zimmer zu holen. Sie war alt und hatte mit Feuer gespielt. Weil alle Fenster und Türen verschlossen waren hat sich das Feuer im Grunde selbst erstickt. Und nun lag die Frau halb verbrannt und festgekokelt auf dem Fußboden, hat aber noch geatmet. Wir waren damit absolut überfordert. Gottseidank kam die Feuerwehr sehr schnell. Manchmal habe ich immer noch diesen Geruch von verbranntem Menschenfleisch in der Nase, oder besser gesagt im Gehirn. Vergessen tut man soetwas nicht.
larousse - 29. April, 22:32

autsch!!
Solche Bilder würden mich mein Leben lang verfolgen, ich bin ein sehr visueller Mensch und hab grosse Probleme, Schockbilder wieder aus meinem Gedächtnis zu bekommen.
Da ist mein Samstagabend ja Pillepalle dagegen!
Habt Ihr wenigstens psychologische Unterstützung erhalten? Ich hätte mit so etwas in dem Alter nicht umgehen können, da bin ich ziemlich sicher.
Selbst heute könnte ich das noch nicht.
Störgröße - 29. April, 22:35

nee. irgendwie hab ich da nie ein Problem mit gehabt. Gut, ich habe ein, zwei Nächte echt schlecht geschlafen. Aber meine Eltern haben damals viel mit mir drüber gesprochen. Das war auch ganz gut zum verarbeiten und so. Ich hab da weniger Probleme mit solchen Bildern. Wenn ich einen Horrorfilm kucke, das vertrage ich da schon eher nicht. Darum lasse ich das auch.
larousse - 29. April, 22:37

Horrorfilm

geht gar nicht.
Hab als Kind mal Dracula gesehen, verbotenerweise bei den grossen Cousins - und habe heute noch Gänsehaut, wenn ich nachts durch's Fenster ins Schwarze blicke.
Memme Larousse.
Glück hast Du, daß es Dich nicht weiter verfolgt hat!
Störgröße - 29. April, 22:41

Mein Bruder kann sich alles was Horrorfilme angeht anschauen. Ganz ohne irgendwelche Folgen. Aber wenn er mal was reales sieht, wie zum Beispiel "Notruf" oder Aktenzeichen XY ungelöst" dann wacht er Nachts mit Angstschweiß auf. Ich sach ma: der kann ganz klar zwischen Fiktion und Realität unterscheiden ...
larousse - 29. April, 22:45

Und GENAU da

liegt wohl mein Problem... Das scheinen Tagträumer aber so an sich zu haben. Realität, Fiktion - ales kommt in einen Topf, und heraus kommt so oder so Horror.
Obwohl ich Aktenzeichen XY immer spannend fand...
Störgröße - 29. April, 22:55

ich fand die Hintergrund Kommentare immer total geil: "Als Gerda K. am Morgen ihr Haus verläßt, ahnt sie noch nicht was ihr heute widerfahren wird ..." Nei wie schön! Und ich habe dann, wenn der Täter hinter der Tür lauerte immer in den Fernseher gerufen: "pass auf dumme Kuh! Da lauert er!" Hat aber nix genützt ...
larousse - 29. April, 22:58

Und ich fand immer toll,

wenn dann nach Österreich und in die Schweiz geschaltet wurde, Mönsch, war das kosmopolit!
Bloss dieses Nasengepfeife, das hat mich immer gestört. Der Zimmermann hätte sich die Polypen rausnehmen lassen müssen, das war zuschauerunfreundlich, was der uns geräuschlich bot.
Störgröße - 29. April, 22:59

heute ist diese Sendung ja total schnöde und nicht mehr so spuky wie früher, achja damals ... *schwelg*
larousse - 29. April, 23:01

ja,

gibt's die denn noch? Ich bin ja fernsehtechnisch nicht mehr so versiert seit mir hier 3 andere TV-Junkies den Platz streitig machen. Daher ja auch das Bloggen... (o;
Störgröße - 29. April, 23:12

ja die gibt es noch. Nach Herr Zimmermann, hat seine Tochter das eine Weile weiter gemacht und jetzt macht das ein etwas jüngerer und auch die Kulisse ist etwas moderner. Ich habs aber auch schon lange nicht mehr gesehen. Das Konzept soll aber immer noch das gleiche sein.
larousse - 29. April, 23:14

Na,

die Öffentlich-Rechtlichen sind ja bei Innovationen immer ganz Vorne mit dabei...!
Ich wünsch Ihnen eine gute Nacht, Herr S., und danke für die nette Unterhaltung! (o;
Störgröße - 29. April, 23:17

Bitte. War mir ein Vergnügen. Ebenfalls gute Nacht und vor allem: Angenehme Träume!

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